Grundlagen für die Modellierung der Geruchsausbreitung aus der Tierhaltung mit dem Lagrange'schen Partikelmodell GRAL
Das Ziel der hier vorliegenden Studie ist zu prüfen, ob mit dem Ausbreitungsmodell GRAL die Geruchsbelastung durch Tierhaltungsbetriebe mit ausreichender Qualität bestimmt werden kann.
Anlass war eine notwendige Revision der bisherigen Beurteilungspraxis - mit der Vorläufigen Richtlinie zur Beurteilung von Immissionen aus der Nutztierhaltung in Stallungen (VÖRL) - um neue legistische Möglichkeiten zu nutzen bzw. Entwicklungen in der Landwirtschaftstechnik zur Geruchsvermeidung abzubilden. In mehreren Projekten wurden Vergleichsrechnungen mit Gral durchgeführt.
Mit der Erhöhung der Rechnerleistung können heute Ausbreitungsmodelle eingesetzt werden, welche wesentlich flexibler die Emissions- und Immissionssituation in der Umgebung eines landwirtschaftlichen Betriebes berechnen können. Es ist nun möglich topographische Effekte, den Einfluss von Gebäuden und Hindernissen sowie Ableitbedingungen für Geruchsemissionen zu berücksichtigen und Jahresgeruchs- stunden für beliebig wählbare Geruchsschwellen zu modellieren. Als Stand der Technik gelten heute Langrange'sche Partikelmodelle, die anstelle der Gaußmodelle zum Einsatz kommen. In Österreich gibt es keine rechtlich verbindliche Richtlinie für die Modellierung der Geruchsausbreitung. Der Leitfaden UVP für Intensivtierhaltung des Lebensministeriums stellt allerdings in kritischen Fällen (Unterschreitung des berechneten Schutzabstandes) nach erster Abschätzung mit der VÖRL eine detaillierte Ausbreitungsrechnung (z.B. mit AUSTAL 2000G gem. der Geruchs- Immissions-Richtlinie Deutschland [GIRL]) über einfachere Verfahren.
Da es in Österreich kein rechtlich verbindliches Beurteilungsmaß für Geruchsbelästigungen gibt, sind diese vom Sachverständigen empirisch festzulegen. In der Praxis existieren verschiedene Beurteilungsmaße, die aufgrund der vielfältigen Geruchsqualitäten nicht einfach auf verschiedene Geruchsquellen anwendbar sind. Die Österreichische Akademie der Wissenschaft definiert als Beurteilungsschwelle 8 % Jahresgeruchsstunden für wahrnehmbare und 3 % für stark wahrnehmbare Gerüche, ohne dabei jedoch entsprechende Geruchsschwellen anzugeben. Eine Kombination von Häufigkeit und anzuwendender Geruchsschwelle zu einem Beurteilungsmaß, wie es für die Ausbreitungsrechnung Voraussetzung ist, findet sich in der Technischen Grundlage "Gerüche" des BMWFJ (2009). Als Ergebnis werden Abstände in Abhängigkeit der Geruchshäufigkeit , der Geruchsfracht sowie der Häufigkeit der Windrichtung mit der dazugehörigen mittleren Windgeschwindigkeit ausgegeben.
Mit dem in der Steiermark verwendeten Ausbreitungsmodell GRAL können auch inhomogene Wind- und Turbulenzverhältnisse berücksichtigt und damit Ausbreitungsbedingungen während windschwacher Wetterlagen abgebildet werden. Die für die Berechnung benötigten dreidimensionalen Strömungsfelder werden mit Hilfe eines prognostischen Windfeldmodelles (GRAMM) simuliert und stehen in Form von Windfeldbibliotheken zur Verfügung.
Die der VDI 3894-1 entnommenen Emissionsfaktoren sind aufgrund plausibler Ergebnisse aus Praxisuntersuchungen bzw. Messberichten für einzelne Berechnungen häufig zu korrigieren. Über Fahnenbegehungen und nachfolgende Ausbreitungs- rechnungen wurde im Rahmen einer Masterarbeit versucht Emissionsfaktoren an einem Mastschweinestall zu bestimmen.
Die Beurteilungskriterien der GIRL stellen aus derzeitiger Sicht einen vernünftigen Rahmen für die Beurteilung dar. Die beste Trennschärfe für Geruchsbeschwerden liefert die 15% Isolinie basierend auf einer Geruchsschwelle von1 GE/m³. Die Verwendung einer Geruchsschwelle von 1 GE/m³ ermöglicht eine weitestgehend gleichwertige Beurteilung zwischen Geruchsbegehungen und Ausbreitungsrechnungen. Das derzeit zur Diskussion stehende empirische Regressionsmodell in der neuen Richtlinie des BMLFUW (2014) kann wegen der in weiten Bereichen der Steiermark auftretenden geringen Windgeschwindigkeiten nicht empfohlen werden.
Nach derzeitigem Wissensstand wird für die Beurteilung von Gerüchen aus der Landwirtschaft folgender Stufenplan empfohlen:
• Bei Neugenehmigungen von Stallanlagen wird im Anschluss an die Berechnung nach der VÖRL
- mit Ausweisung des Geruchsschwellenabstandes bzw. der Belästigungsgrenze - eine detaillierte
Ausbreitungsmodellierung empfohlen, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:
-
signifikante Erhöhung der Geruchszahl und Belästigungsgrenze mit Verschlechterung der Immissionssituation bei den nächsten Anrainern.
-
Stallentlüftungen über Kamine ohne nennenswerte Downwash-Effekte
-
starke Modifizierung der Geruchsausbreitung durch Gebäude und Vegetation
• Beschwerdefälle (§29 Stmk. BauG) bzw. UVP-Feststellungsverfahren erfordern die
Durchführung detaillierter Ausbreitungsrechnungen. Bleibt die Situation dennoch unschlüssig, kann
eine Begehung nach der in der Steiermark bisher praktizierten modifizierten Rastermethode
erfolgen.