Luftgütemessung Steiermark - Jahresbericht 2021
Im vorliegenden Bericht werden die auf Basis des Immissionsgesetzes Luft ausgewerteten Ergebnisse der im Kalenderjahr 2021 in der Steiermark durchgeführten Immissionsmessungen zusammengefasst und dargestellt. Weitere Inhalte dieser Jahreszusammenfassung sind der Umsetzung von Luftreinhaltemaßnahmen im Rahmen des Immissionsschutzgesetzes - Luft sowie weiteren Arbeitsschwerpunkten und Projekten des vergangenen Jahres gewidmet:
- Luftreinhaltung und EU: Im September 2021 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) neue Richtwerte für sechs Schadstoffe [WHO 2021], die fast durchwegs wesentlich strenger sind als die bisher angewandten Grenzwerte. Die Europäische Kommission hat die neuen WHO-Richtwerte zum Anlass genommen, den Prozess zur Überarbeitung der Luftqualitätsrichtlinie aus dem Jahr 2008 zu starten. Grundsätzlich ist das Ziel die WHO-Richtwerte in der neuen Luftqualitätsrichtlinie für verbindlich zu erklären. Mit einem ersten Vorschlag dazu ist im 2. Halbjahr 2022 zu rechnen.
- Pig Air: wurde in Zusammenarbeit mit der HBLFA Raumberg-Gumpenstein und dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus initiiert, um Ammoniakemissionen und damit Feinstaubimmissionen aus der Landwirtschaft als Hauptverursacher (90%) dieses Schadstoffes zu reduzieren. Nachdem die Errichtung eines Versuchsstalls an der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Raumberg-Gumpenstein und dessen Ausstattung mit verschiedenen Technologien zur Abluftreinigung erfolgreich abgeschlossen werden konnte, erfolgt nunmehr die Fortführung mit dem Ziel bei einem bestehenden Betrieb in der Südsteiermark weitere Ergebnisse in Bezug auf die Praxistauglichkeit von Abluftreinigungsanlagen zu erhalten. Von besonderem Interesse ist die Wirksamkeit der Anlage, da es sich im konkreten Fall um einen Mischbetrieb mit Masthühnern und Mastschweinen handelt. Neben umfangreichen Emissionsmessungen (Geruch, NH3, Staub) durch die HBLFA Raumberg-Gumpenstein, erfolgt in der Umgebung des Betriebs ein NH3-Monitoring mit Passivsammlern.
- Clean Air II: Auslöser für dieses Projekt war die Erkenntnis, dass die richtige Bedienung von Einzelöfen zu großen Einsparungen an Emissionen führen kann. Der Schwerpunkt lag auf dem Einsatz eines Trailers, der es den Besuchern ermöglicht, selbst zu versuchen und mit allen Sinnen zu erleben, wie das eigene Verhalten die Luftschadstoffemissionen beeinflussen kann. Aufgrund vieler coronabedingter Absagen geplanter Veranstaltungen vor Ort, wurde ein Onlineformat entwickelt, das nun die Möglichkeit bietet wesentlich mehr Personen die Ziele des Projektes zu vermitteln. Das Livestream-Event ist seit Februar 2021 unter https://www.youtube.com/watch?v=xaOEbJTrkCs abrufbar.
- Weiterentwicklungen numerischer Ausbreitungsmodelle: Der Schwerpunkt der naturwissenschaftlichen Entwicklungen lag vor allem im Bereich der Anbindung des mesoskaligen Windfeldmodells GRAMM an globale Reanalysedaten (ERA5 Datensatz) des Europäischen Wetterdienstes ECMWF. Die mehr als dreijährige Entwicklungsarbeit im Referat Luftreinhaltung mündete in einer weiteren Version des neuen Modellzweigs GRAMM-SCI (Grazer Mesoskaliges Modell - Scientific). Der wesentliche Vorteil des neuen Modells GRAMM-SCI 22.06 gegenüber der bisherigen Modellversion GRAMM 20.1 besteht in der Möglichkeit, Wechselwirkungen zwischen der vorherrschenden großräumigen Strömung und Lokalwindsystemen abbilden zu können. Damit können vor allem die Strömungs- verhältnisse mit zunehmender Höhe über dem Erdboden realistischer simuliert werden. Darüber hinaus können nun auch Einflüsse durch Schneebedeckung, Bewölkung oder wechselnder Bodentemperatur berücksichtigt werden.
- Emissionsfaktoren für Geruch für Legehennen- und Zuchtsauenbetriebe: Im Zuge der geplanten Novellierung des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes soll die Darstellung von Geruchsemissionen aus der Tierhaltung gemäß § 27 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 2010 an den Stand der Technik angepasst werden. Mit dem vorliegenden Projekt sollen die Datengrundlagen für den Bereich der Geflügelhaltung wesentlich verbessert werden. Dazu werden steiermarkweit in mehreren Betrieben (drei Legehennen- und drei Mastbetriebe) Messungen der Geruchsemissionen (Beprobungen bei Zuchtsauenhaltung sowie bei Ferkelaufzucht) durchgeführt. Ziel der Untersuchungen ist es auch, Auswirkungen bestimmter Haltungsformen bzw. von speziellen Fütterungskonzepten auf die Emissionen zu untersuchen und belastbare Emissionsfaktoren zu erhalten. Die olfaktometrischen Messungen werden von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein durchgeführt.
- SaLu_T: Das Projekt SaLu_T - Saubere Luft in der Tierproduktion befasst sich mit Maßnahmen und Technologien zur Minderung der Emissionen und zur Erhöhung des Tierwohls in der landwirtschaftlichen Praxis. Ein Hauptaugenmerk bei diesem Projekt liegt auf einer Reduktion der Ammoniakemissionen (NH3), was besonders auch im Hinblick auf die Erfüllung der NEC-Richtlinie [EG 2016] von Bedeutung sein könnte. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung und Erprobung des ersten emissionsarmen Tierwohlstalls für Mastschweine in Österreich, der technisch in den Bereichen Tierhaltung und Emissionen völlig neue Wege geht. Die Verbindung von Emissionsminderung und Optimierung der Produktion wird durch den Einsatz modernster Techniken und deren Evaluierung durch mehrere Forschungsteams erarbeitet. Durch die Emissionsreduzierung werden auch Geruchsemissionen positiv beeinflusst.
- Immissionsmessungen von Amoniak:
Ermittlung des Eintrags von Stickstoffverbindungen in Böden: Der Eintrag reaktiver Stickstoffverbindungen durch die nasse Deposition wird seit 1997 durch das WA-DOS-Messnetz der Steiermark erfasst (siehe auch Kapitel 9.4). Zur trockenen Deposition gibt es hingegen keine Untersuchungen. Daher wurde in Zusammenarbeit mit der TU Wien, Institut für Chemische Technologien und Analytik ein Projekt konzipiert, das Informationen über den gesamten Eintrag an Stickstoffverbindungen in den Boden liefert. Aufgrund von Literaturdaten wurde eine Abschätzung der trockenen Deposition vorgenommen, um so die Gesamtdeposition zu bestimmen. Die in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnisse dienen als Grundlage (Istzustandsanalyse) für die Bewertung von Projekten, die Einflüsse auf empfindliche Ökosysteme haben können [TUWIEN 2022a].
Österreichweite Erhebungen von Ammoniakemissionen: Die NEC-Richtlinie [EG 2016] legt nationale Emissionsmengen unter anderem für Ammoniak fest. Die Umsetzung in Österreich erfolgt im Emissionsgesetz-Luft [BGBL 2018]. Darin ist Österreich verpflichtet, bis zum Jahr 2030 die Emissionen von Ammoniak um 12% zu reduzieren (Basisjahr 2005). Derzeit kann noch nicht dargestellt werden, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Immissionsgrenzwerte für Ammoniak sind im Immissionsschutzgesetz-Luft nicht festgelegt. Es stehen die Bildung sekundärer Partikel, die Versauerung und die Eutrophierung im Vordergrund. Nur auf Basis des Forstgesetzes werden NH3-Immissionskonzentrationen zum Schutz vor direkten Einwirkungen festgelegt (siehe Kapitel 7.2.4). Allerdings empfiehlt die WHO in ihren Air Quality Guidelines 2021 [WHO 2021] die Messung von Ammoniak. So wurde im 2. Halbjahr 2021 mit der Erhebung von Ammoniakimmissionen im gesamten Bundesgebiet begonnen. Die Steiermark brachte dazu die Messnetze, die für die Erfassung des Eintrags von Stickstoffverbindungen in Böden betrieben wurden, ein. Das Umweltbundesamt koordiniert diese Arbeiten und ist auch für die osterreichweite Zusammenschau der Ergebnisse zuständig. Der erste Bericht wird im Herbst 2022 erwartet.
Das Jahr 2021 setzte nach den beiden gering belasteten Vorjahren, die außerordentlich positive Entwicklung der Luftqualität in der Steiermark fort. Es konnte auch das Niveau des, durch die Covid19-bedingten Lockdowns und die damit verbundenen Verkehrsreduktionen geprägten, Vorjahres gehalten werden, was z.B. beim Luftschadstoff Stickstoffdioxid nicht unbedingt zu erwarten war. Neben dem allgemeinen österreichweiten Trend des Rückgangs der anthropogenen Emissionen waren wiederum die klimatischen Bedingungen, vor allem die austauschreichen Witterungsverläufe der immissionskritischen Wintermonate, sehr hilfreich. Der heurige Jänner war dadurch überhaupt der geringstbelastete seit Beginn der Luftqualitäts- messungen in der Steiermark.
Für den Schadstoff Feinstaub PM10 konnten bereits zum dritten Mal hintereinander die Vorgaben der Europäischen Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa [EG 2008] an allen steirischen Messstellen eingehalten werden, ohne dass Beiträge aus Winterdienst, natürlichen Quellen oder lokalen Baustellen berücksichtigt werden mussten. Auch die deutlich strengeren nationalen Vorgaben des Immissionsschutzgesetzes-Luft [BGBl 1997] konnten zum dritten Mal eingehalten werden.
Die EU-Vorgaben für Stickstoffdioxid NO2 wurden ebenfalls, wie schon in den beiden Vorjahren, an allen Messstationen im steirischen Luftmessnetz eingehalten. Nicht wirklich zu erwarten war dies für den strengeren IG-L-Grenzwert. Im Vorjahr wurde das noch ursächlich auf die lockdownbedingten Emissionsreduktionen zurückgeführt, im heurigen Jahr konnte das Niveau des Vorjahres aber bestätigt werden.
Die heurige Ozonsaison dauerte - der vorjährigen nicht unähnlich - von Ende März bis Mitte September und damit vergleichsweise lang. Die Jahresmaxima wurden Ende Juli/Anfang August registriert und blieben wie schon in den Vorjahren auf einem sehr gemäßigten Niveau. Im langjährigen Vergleich lag die heurige Ozonsaison damit wie 2020 sowohl hinsichtlich der Maximalkonzentrationen als auch der Grundbelastung (als Tage mit Zielwert-Überschreitung) deutlich unter dem Durchschnitt der letzten 15 Jahre bzw. sogar am unteren Ende der Bandbreite
Wenig Veränderung gab es erwartungsgemäß bei den regionalen Verteilungsmustern der Luftschadstoffkonzentrationen, wobei angemerkt werden kann, dass im Zuge der generellen Immissionsrückgänge auch die Unterschiede zwischen dem vergleichsweise gut durchlüfteten und entsprechend geringbelasteten alpinen Landesteil und dem in dieser Hinsicht benachteiligten und auch stärker besiedelten südöstlichen Alpenvorland im Lee des Steirischen Randgebirges abnehmen.
In der außeralpinen Steiermark zeigt sich das insbesondere bei den staubförmigen Luftschadstoffen, deren ehemals flächige Belastungen sich zunehmend auf wenige Gebiete reduzieren, wie es bisher nur bei den gasförmigen Luftschadstoffen der Fall war.
Tendenziell höher belastet und in Bezug auf Grenzwertüberschreitungen bei PM10 anfällig sind weiterhin das Grazer Becken und das südlich anschließende Untere Murtal bis Bad Radkersburg. In anderen ehemaligen HotSpots wie dem Köflach-Voitsberger Becken oder in Weiz oder Hartberg werden erhöhte Konzentrationen nur mehr temporär registriert, meist in Folge von ungünstigen Ausbreitungsbedingungen in Zeiten erhöhter regionaler bis überregionaler Grundbelastung.
Die höchsten Luftschadstoffimmissionen wurden auch 2021 in der Landeshauptstadt Graz registriert. In der einzigen steirischen Großstadt bewirken die mit der Ausdehnung und Dynamik des Ballungsgebietes verbundenen anthropogenen Emissionen ein Belastungsniveau, das deutlich über dem der restlichen Steiermark liegt. Auch wenn die Bilanz der Jahre 2019 bis 2021 Optimismus erlaubt, sind hier auch in Zukunft Aufmerksamkeit und ein weiterhin konsequentes Umsetzen aller bewährten Maßnahmen geboten, um ein dauerhaftes Einhalten der Vorgaben der Luftqualitätsrichtlinie bzw. noch mehr des Immissionsschutzgesetzes-Luft für die Schadstoffe PM10 und Stickstoffdioxid zu sichern.
Das Gratkorner Becken war auch 2021 wieder der Belastungsschwerpunkt bei Schwefeldioxid (SO2). Insgesamt blieben jedoch die lokalen Immissionen 2021- mit Ausnahme einer speziellen Emissionssituation des lokalen Emittenten (Papier- und Zellstoffindustrie) - merklich unter dem Niveau der letzten Jahre.
In der Obersteiermark blieben die gemessenen Primärschadstoffkonzentrationen auch heuer durchwegs und sehr deutlich innerhalb der Vorgaben des IG-L. Das Niveau der Vorjahre konnte generell gehalten werden. Vereinzelte Überschreitungen des IG-L-Grenzwertes bei den PM10-Tagesmittelwerten waren, wie auch schon 2020, auf überregionale Wüstenstaubeinträge und nicht auf erhöhte lokale Emissionen zurückzuführen.
Während die Immissionen an den Messstellen in der ehemaligen Luftgüte-Problemregion Leoben-Donawitz in der zentralen Mur-Mürz-Furche dem positiven Gesamttrend folgten, wurde an dem im Einflussbereich der lokalen Eisen- und Stahlindustrie betriebenen Staub- und Schwermetall-Depositionsmessnetz ein deutlicher Anstieg der Werte erhoben. Der IG-L-Grenzwert für die Gesamtstaubdeposition wurde an vier siedlungsrelevanten Messpunkten überschritten, wobei die gemessenen Jahresdepositionen deutlich über dem Niveau der Vorjahre lagen.