Evaluierung der VBA-Umwelt-Steiermark
Betriebszeitraum 2023

Im Großraum Graz wird seit Dezember 2008 eine immissionsgesteuerte Verkehrsbeeinflussungsanlage (VBA) betrieben. Anpassungen wurden durchgeführt, wenn durch die verpflichtenden jährlichen Evaluierungen bzw. durch Änderungen der Rahmen- bedingungen Handlungsbedarf aufgezeigt wurde. Seit 29. Oktober 2014 werden sowohl aus Verkehrsdaten berechnete NOX-Immissionsbeiträge als auch gemessene PM10-Gesamtbelastungen bei der Schaltung berücksichtigt. Die letzte Änderung der VBA-Verordnung im April 2022 betrifft die Anpassung der Schwellenwerte gemäß Evaluierung der VBA Anlage für den Betriebszeitraum 2020.
Im vorliegenden Bericht werden die Ergebnisse der Evaluierung der VBA-Umwelt Steiermark gemäß VBA-Verordnung- IG-L vom 31.10.2007 für den Betriebszeitraum 2023 zusammengefasst. Es wurde, getrennt für die Teilkorridore Ost, West, Süd und Nord, überprüft, ob der Algorithmus spezifikationsgemäß geschaltet hat, und die geforderte Maßnahmenwirksamkeit erreicht wurde.
Zudem werden mögliche Grenzwertüberschreitungen im Jahresmittel gemäß IG-L an Autobahnen in einem Gebietsstreifen von 100 m beiderseits der Straßenachse mithilfe von Ausbreitungsmodellierungen von Luftschadstoffen mit dem Modellsystem GRAMM/GRAL untersucht. Die Auswertung erfolgt über Querprofilschnitte an ausgewählten Standorten.
Nach Analyse und Plausibilitätsprüfung der für den Algorithmus verwendeten Eingangsparameter aus den Bereichen Meteorologie, Verkehr und Luftgüte, wurden die Datenausfälle und Schalthäufigkeiten statistisch ausgewertet und die daraus resultierende Maßnahmenwirksamkeit ermittelt sowie die eingesparten Emissionen und die Auswirkungen auf den NOx-Immissionsbeitrag berechnet.
Die Verkehrsdaten werden an festgelegten Zählstellen im VBA Gebiet erfasst. Der jahresdurchschnittliche Tagesverkehr (JDTV) wird berechnet aus dem jahresdurchschnittlichen Halbstundenmittelwert, dem jahresdurchschnittlichen Tagesmittelwert und aus dem jahresdurchschnittlichen Tagesgang auf Halbstundenbasis. Anhand dieser dynamischen Ganglinien werden die Verkehrsdaten für das nächste Schaltintervall prognostiziert. Zusätzlich werden für die Modellierung aus einem Verkehrsmodell die Daten zur Verkehrsbelastung auf allen Straßenabschnitten im VBA-Bereich berücksichtigt.
Die Verkehrsbelastung zeigt an den Asfinag-Dauerzählstellen wieder einen ansteigenden Trend und hat 2023 erstmals das Niveau vor der Pandemie wieder überschritten. Bei den Zählquerschnitten im Teilkorridor Nord wurden von Jänner bis November aufgrund einer Baustelle keine Verkehrsdaten übertragen, sodass keine repräsentativen Vergleichswerte für das Jahr 2023 verfügbar sind. Im Teilkorridor Ost hat die Verkehrsbelastung um ca. 6 %, im Teilkorridor Süd um ca. 4 % und im Teilkorridor West um ca. 3 % zugenommen.
Die höchste Anlagen-Schalthäufigkeit wurde im Korridor Süd mit 39,1 % erreicht, gefolgt von den Korridoren Ost (35,6 %), West (26,9 %) und Korridor Nord (8,3 %).
In den Korridoren Süd und Ost wurde eine höhere Schalthäufigkeit erreicht als im Jahr 2022, im Korridor West ist die Schalthäufigkeit gleichgeblieben. Grund dafür ist das im Jahr 2023 wieder leicht gestiegene Verkehrsaufkommen. Die sehr geringe Schalthäufigkeit im Korridor Nord ist auf die erwähnte Baustelle zurückzuführen. In diesem Streckenabschnitt wurde eine Geschwindig- keitsbeschränkung auf 80 bzw. 100 km/h nach StVO verordnet.
Für die Aktivierung des Tempolimits war in den Sommermonaten in allen vier Korridoren praktisch nur das Modul 2 (berechneter NOx-Verkehrsbeitrag zsgf. alsPKW-Verkehr) verantwortlich. In den Wintermonaten bewirkt die erhöhte Luftschadstoffbelastung, dass zusätzlich aufgrund des Modul1 (gleitender 3h-Mittelwert PM10) ein Tempolimit aktiviert wird. Die höchsten Schalthäufigkeiten im Tagesverlauf zeigen sich in allen Korridoren während den Verkehrsspitzen. In den Nachtstunden wurden deutlich niedrigere Schalthäufigkeiten erreicht.
Auf Basis der Verkehrsdaten und der Schalthäufigkeiten wurde die Emissionsreduktion in allen vier Korridoren berechnet. Insgesamt wurden im gesamten VBA Gebiet im Evaluierungszeitraum 9,5 % der NOX-Emissionen der PKWs und 10,6 % der PM Auspuff- emissionen der PKWs eingespart. Außerdem wurde der Kraftstoffverbrauch der PKWs um 4,6 % reduziert.
An den Standorten der Verkehrszählung werden von der ASFINAG zusätzlich Geschwindigkeits- messungen für die Fahrzeugkategorien PKW und LKW durchgeführt. Diese Daten wurden mit dem Ziel ausgewertet, die Befolgung des Tempolimits abzuschätzen und die den Berechnungen der Effekte zugrunde gelegten Annahmen überprüfen zu können. Aus diesen Daten wurden die durchschnittlichen Fahrgeschwindigkeiten bei Schaltung der Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h sowie ohne Schaltung des Tempolimits ermittelt. Die Datenverfügbarkeit liegt in allen Korridoren mit Ausnahme des Korridors Nord bei mindestens 90%. Im Mittel über alle Korridore ergab sich im Jahr 2023 bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h eine durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit von 105,8 km/h und bei einem Tempolimit von 130 km/h eine Geschwindigkeit von 112,3 km/h. Es zeigt sich also, dass die Befolgung des Tempolimits unter den Erwartungen liegt. Eine verstärkte Überwachung könnte den Befolgungsgrad und damit die Maßnahmeneffizienz erhöhen.
Die geforderte Maßnahmenwirksamkeit von 75 % bezogen auf ein statisches ganzjähriges Tempolimit wurde in keinem Teilkorridor erreicht. Bezogen auf ein statisches Tempolimit während des Winterhalbjahres wurde in den Korridoren Ost und Süd die Maßnahmenwirksamkeit von 100 % erreicht bzw. überschritten, im Korridor West mit 97% knapp unterschritten. Im Korridor Nord ist die berechnete Maßnahmenwirksamkeit aufgrund einer längeren Baustelle sehr gering, da keine Verkehrsdaten übertragen wurden, und die VBA Anlage nicht aktiv war.
Es ist davon auszugehen, dass die Verkehrsbelastung - und damit die Schalthäufigkeit - ab dem Jahr 2023 weiter zunehmen wird, somit ist für die Korridore West und Ost keine Anpassung der Schwellenwerte notwendig.
Für den Korridor Süd wird aufgrund der hohen Maßnahmenwirksamkeit in Bezug auf die Vorgaben für das Winterhalbjahr im Jahr 2023, die auf deutliche Verkehrszunahmen von 14% gegenüber dem Jahr 2021 zurückzuführen ist, eine Anpassung des Schwellenwertes für das Modul 2 von 31 μg/m³ auf 38 μg/m³ empfohlen. Die entsprechende Anpassung der VBA-Verordnung IG-L-Steiermark wird in die Wege geleitet.
Zusätzlich zur Überprüfung der Wirksamkeit der VBA-Schaltung wurde die Immissionsbelastung entlang der Korridore beiderseits der Straßenachse in einem Abstand von 100 m ermittelt bzw. modelliert, um festzustellen, ob Grenzwertüberschreitungen gemäß IG-L an den von der VBA-Umwelt erfassten Autobahnkorridoren auftreten, bzw. bei den zukünftig geltenden Grenzwerten der neuen EU-Luftqualitätsrichtlinie zu erwarten sind. Die Untersuchung wurde für die Schadstoffe Stickstoffdioxid (NO2) sowie die Feinstaubfraktionen PM10 und PM2.5 durchgeführt, die in wesentlichem Ausmaß durch den Verkehr emittiert werden und eine hohe Vorbelastung zeigen. Vorrangig wurde das Augenmerk auf die Auswirkungen eines statischen Tempolimits von 100 und 130 km/h bzw. eines flexiblen Tempolimits gemäß den Schaltungen der VBA-Anlage gelegt.
Hinsichtlich der Emissionen ist bei einem statischen ganzjährigen Tempolimit eine Reduktion der NOx-Emissionen um 20 % zu erwarten, die PM10-Exhaust-Emissionen (entspricht PM2.5) der PKWs verringern sich durchschnittlich um rund 22 %. Bei Gesamt PM10 (Exhaust + Non-Exhaust) bleibt das Reduktionspotential mit 4 % aufgrund des wesentlich größeren Anteils von Abriebs- und Aufwirbelungsemissionen naturgemäß niedriger.
Für den Schadstoff NO2 wurde entlang der Teilkorridore Ost, West und Nord ein Überschreiten des aktuell gültigen IG-L Grenzwertes von 35 µg/m³ (inkl. 5 µg/m³ Toleranz) für alle untersuchten Tempolimits für 100m, bzw. 50-60m und 80m beiderseits zur Straßenachse modelliert.
Entlang des Teilkorridors Süd wurde für den Schadstoff NO2 ein Überschreiten des aktuell gültigen IG-L Grenzwertes von 35 µg/m³ (inkl. 5 µg/m³ Toleranz) bis zu einer Distanz von 100 m, bei Profil 2 bis 120m, beiderseits zur Straßenachse für ein ganzjähriges Tempolimit von 100 km/h modelliert.
Die NO2-Grundbelastung beträgt nach erfolgter Umwandlung der aus Messungen abgeleiteten NOX-Vorbelastung von 30 µg/m³ bereits rund 19 µg/m³. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die Einhaltung des zukünftigen Grenzwertes für NO2 von 20 µg/m³ innerhalb eines 100 m - Korridors entlang der Autobahnachsen, unter Einbeziehung der verkehrsbedingten Immissionsbeiträge sowohl bei statischen ganzjährigen, als auch bei flexiblen
Tempolimits derzeit nicht realistisch ist.
Für Feinstaub erfolgte die Untersuchung der Auswirkungen von statischen ganzjährigen und flexiblen Tempolimits ausschließlich für die verkehrsbedingten Immissionsbeiträge. Die Einhaltung von aktuell gültigen und zukünftigen Grenzwerten ist abhängig von der regional sehr unterschiedlichen Hintergrundbelastung an Feinstaub.
Allein durch den Immissionsbeitrag des Autobahnverkehrs entlang der Teilkorridore, ist eine Überschreitung der derzeit gültigen IG-L - Grenzwerte für PM10 von 40 µg/m³ und PM2.5 von 25 µg/m³ nicht zu erwarten. Der zukünftige strengere Grenzwert von 10 µg/m³ für den Jahresmittelwert an PM2.5 kann in einigen Bereichen entlang der Straßenachse bereits durch die verkehrsbedingten Immissionsbeiträge überschritten werden, wobei diese mit zunehmender Entfernung relativ rasch abnehmen.